Gamification – Interview mit Dr. Sabine Hemsing

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Interview – Ein praktisches Beispiel zu Gamification in der Hochschullehre

 

Mein Name ist Meike Schmidt und ich darf heute meine Kollegin Dr. Sabine Hemsing zum unsere Online-Kurse Gamification interviewen. Gamification gehört zu den zentralen Trends der digitalen Lehre und bezieht sich auf die Nutzung von spielerischen Elementen in einem Nicht-Spiel-Kontext. Der Online-Kurs der VCRP E-Cademy „Gamification SPOC14“ zeigt wie man spannende und motivierende Lehrveranstaltungen im Game-Design entwickeln kann. Die Idee und Konzeption des Online-Kurses stammt von Sabine Hemsing. Mit vielen spannenden Game-Elementen nimmt sie ihre KursteilnehmerInnen mit auf ein Abenteuer. Für uns lüftet sie heute das Geheimnis der Pforte.

 

Meike Schmidt: „Kannst du kurz beschreiben, um was in dem Online-Kurs geht? Was sind die zentralen Elemente?”

Dr. Sabine Hemsing: „Der Online-Kurs beschäftigt sich damit wie man die Hochschullehre gamifizieren kann und greift dabei typische Dinge des Game-Designs auf.  Dabei geht es sowohl um die Präsenz- als auch die Online-Lehre, je nach Interesse der Teilnehmenden. Auch werden sowohl komplexere Spiele aber auch gezielt nur kleinere Game-Elemente, wie sie typisch sind für Gamification, berücksichtigt. Der Kurs selbst besteht aus einem Game-Board, das die Inhalte des Kurses umfasst, dem Game „Die Pforte“, was zu einer praktischen Auseinandersetzung und Anwendung der Inhalte des Game-Boards führt sowie der Entwicklung eines eigenen, individuellen Game-Vorhabens. Dabei greifen alle 3 Elemente ineinander.”

Meike Schmidt: „Wie kamst du auf die Idee mit der Pforte?”

Dr. Sabine Hemsing: „Die Idee für die Pforte stammt aus einem Buch von Patrick Lee, das ich gelesen habe. Es hieß „Die Pforte“. In dem spannenden Roman kamen immer wieder Gegenstände aus einer mysteriösen Pforte, ohne dass klar war was dahintersteckt oder wofür die Dinge, die aus der Pforte kamen wirklich gedacht sind. Das war sozusagen die Ausgangsidee für das Storytelling meines Games. Vom Ablauf her wurden hier auch Elemente aus dem Online-Rallye Ansatz, den wir bereits vor einigen Jahren entwickelt hatten, übernommen. Für den Kurs und besonders das Game war mir wichtig, dass die Kursteilnehmenden nicht nur theoretisch Inhalte bearbeiten oder Konzepte entwickeln, sondern selbst auch ein Game im fachlichen Kontext sowie konkrete Game-Mechaniken und -Dynamiken praktisch erleben und diese später reflektieren.”

Meike Schmidt: „Wie führst du die SpielerInnen in die Story ein?”

Dr. Sabine Hemsing: „Ich versuch die Spielenden in ihrer realen Hochschulsituation abzuholen. Die Story beginnt an der Stelle als sich Lehrende, die sich für einen Präsenz-Kurs zum Thema Gamification angemeldet haben, zum Kursstart im Seminarraum einfinden, also relativ realistisch. Wie zu erwarten taucht auch gleich ein Problem auf. Die Referentin erscheint nicht, stattdessen gibt es eine mysteriöse Video-Botschaft von ihr, in der sie die Teilnehmenden davor warnt in den Keller zu gehen. Sie erzählt von einem Ding, das sie entdeckt hat, von einer Pforte und merkwürdigen Artefakten. Alles etwas mysteriös und unklar. Trauen sich die Teilnehmenden trotzdem in den Keller zu gehen? Na klar. Hier haben Sie die Chance das Geheimnis der Port zu entdecken.”

Meike Schmidt: „Gibt es Spielregeln für das Game die Pforte? Und wenn ja, warum sind diese wichtig?”

Dr. Sabine Hemsing: „Natürlich, gibt es Spielregeln. Das ist eint typische Sache bei für Games. Die Spielregeln definieren den Rahmen für die Spielhandlungen der Spielenden und spiegeln in der Regel auch die Game-Dynamiken wieder. Bei dem Game „Die Pforte“ spielen mindestens zwei Gilden (Gruppen) gegeneinander. Die Gildenmitglieder selbst spielen zusammen und Punkte werden immer für die gesamte Gilde erspielt. Alle Spieler*innen die an der Bearbeitung eines Artefaktes mitgewirkt haben bekommen die Gesamtgildenpunkte für das Artefakt. Das ist also eine interessante Mischung aus individuellen und kooperativen Punkten und berücksichtigt somit auch den Umfang der Mitarbeit in der Gruppe. Jedes Artefakt ist mit einer „Aktiv-Aura“ versehen und kann nur innerhalb dieser Zeitspanne bearbeitet werden.”

Meike Schmidt: „Hat das Game „die Pforte“ besondere Elemente, damit die SpielerInnen motiviert bleiben, tiefer in die Geschichte eintauchen können?”

Dr. Sabine Hemsing: „Das erste Artefakt dient vor allem der Gruppenbildung und der Entwicklung einer gemeinsamen Gilden-Identität. Jede Gilde sucht sich einen Namen und ein Symbol. Beides wird im weiteren Verlauf immer wieder aufgegriffen. So werden die Gilden entsprechend ihres Namens angesprochen und es gibt auch ein Avatar-Gruppenbild mit ihrem selbst kreierten Symbol. Auch im Showdown (zweite Spielphase) werden die von den Gilden erstellten Symbole weiterverwendet. Kurz gesagt, die Dinge, die während des Games durch die TN entstehen werden aufgegriffen und wo passend eingearbeitet. So erhält jedes Game „Die Pforte“ eine persönliche und gruppenspezifische Note. Die Motivation der Spielenden soll auch durch, die Verwendung von Umbenennungen, abwechslungsreichen Artefakten, die sehr unterschiedliche Aktivitäten umfassen sowie den Nutzen für das eigene Game-Konzept und nicht zuletzt durch die jeweilige Gruppen-Dynamik erreicht werden. Es gibt auch ein freiwilliges Side-Quest was die Spielenden stärker in die Story und die Gilden-Identität ziehen soll. Dieses Side-Quest setzt auf Storytelling und ermöglicht es den Gilden ihre eigene Gilden-Story auszugestalten. Allerdings wird das Side-Quest aus Zeitgründen nicht sehr intensiv oder gar nicht genutzt. Diejenigen Gilden, die es nutzen, erhalten zum Ende eine Video-Belohnung.”

Meike Schmidt: „Wie findest du die passende Balance zwischen Spielelementen/Spielstory und den zu vermittelnden Inhalten?”

Dr. Sabine Hemsing: „Mmhh, gute Frage, das ist gar nicht so einfach. Da die Inhalte im Game-Board liegen schaue ich mir diese noch mal genau an und überlege, was ist hierbei besonders wichtig, worauf möchte ich die Teilnehmenden noch mal gezielt hinweisen, weil es leicht übersehen wird oder besonders wichtig ist? Welche Dinge sollten unbedingt mal praktisch erprobt oder weiter recherchiert werden? Hieraus werden dann die konkreten Artefakte gebildet. Die Herausforderung hierbei ist die praktischen Handlungen, den Aufwand für die Überprüfung und die Punktevergabe angemessen auszubalancieren. Deshalb gehe ich während der Erstellung immer wieder durch die geplanten Artefakte und prüfe ob alles stimmig ist, besonders wenn Details geändert werden. Die Artefakte müssen natürlich zur Story passen und da es sich um eine zusammenhängende Fortsetzungstory handelt, ergeben sich bestimmte Aktionen/Themen stark aus der Story. Manchmal möchte man aber noch einen weiteren Inhalt einbauen, dann muss man schauen, ob man die Story sinnvoll anpassen kann. Das gelingt nicht immer perfekt. Manchmal muss man zwischen perfekter Story und den zu vermittelnden Inhalten wählen. Und da es ja letztendlich um die Inhalte geht, nehme ich notgedrungen auch mal ein mittelmäßiges Storytelling in Kauf und versuche es für den nächsten Durchlauf zu optimieren und wieder rund zu machen.”

Meike Schmidt: „Gibt es in dem Game „die Pforte“ Sieger und Verlierer?”

Dr. Sabine Hemsing: „Da es (zumindest im Hauptteil) ein Wettkampfspiel ist, zwei Gilden spielen gegeneinander, muss es auch Gewinner geben. Allerdings steht der Wettkampf nicht im Vordergrund und es gibt nur ein- oder zweimal während des Games einen expliziten Gruppenvergleich. Meist ist es so, dass die Gilden schon selbst sehr bestrebt sind, viele Punkte für ihre Gilde zu erreichen. Zum Schluss, während des Showdowns zählt ohnehin eine gemeinschaftliche Leistung bzw. Kombination aus beiden Gilden. Der Showdown nutzt eigentlich mit dem „Sicherungsmechanismus“ einen einfachen Weg, der jedoch durch Storytelling mit Video Unterstützung, Umbenennung und einer ausgeklügelten, etwas rätselhaften Punktematrix zu etwas Besonderem wird. Mehr möchte ich über den  Sicherungsmechanismus im Moment nicht verraten.”

Meike Schmidt: „Auf welchem Weg wird die Story beendet/gelangen die SpielerInnen wieder in die reale Welt/werden die SpielerInnen aus dem Spiel „entlassen“ (Gefühle?)”

Dr. Sabine Hemsing: „Ja, das ist ein wichtiger Punkt zum Ende des Spiels die Spielenden wieder in die Realität zu holen. Am Tag nach Ende des Showdowns erfolgt die Auswertung. Haben es die Gilden wirklich geschafft die Welt zu retten? Je nach Ausgang erfolgt eine andere Story-Auflösung. Bisher konnten alle Gilden erfolgreich die Welt retten, auch wenn es schon mal knapp wurde. Während der Auflösung und Bekanntgabe des finalen Punktestandes werden auch die Gewinner des Games bekanntgegeben. Dabei wird darauf geachtet, dass möglichst viele Spielenden, die während des Games etwas Besonderes erreicht haben, erwähnt werden. So gibt es nicht nur die Gilde mit den meisten Punkten, sondern auch die Einzelpersonen mit den meisten Punkten jeder Gilde sowie Personen, die den Showdown am besten abgeschlossen haben u.ä.. Das ergibt in der Regel ein gutes Bild der besten bzw. aktivsten Spielenden.

Das Zurückholen in die Realität erfolgt auch durch ein geändertes Startbild des Pfortebereichs, so dass auch visuell ein Unterschied erkennbar ist. Das Bild entspricht dem Ausgang des Showdowns. Die Pforte ist nicht mehr länger erkennbar. In einer Info-Mail werden die Teilnehmenden über den Ausgang und das weitere Vorgehen im Kurs informiert. Gleichzeitig erscheint in der Kursumgebung ein neues Forum für die Metaebene Diskussion mit vorbereiteten Threads und Fragestellungen.  Auch die Sprache ändert sich wieder. Während des gesamten Games wurden gezielt die Gilden angesprochen, die Online-Tutorin war Game-Master und es gab noch weitere Umbenennungen. Nach dem Game werden die Spielenden wieder als Kursteilnehmende angesprochen und auch der Game-Master wird wieder zum Online-Begleiter bzw. Online-Tutor.”

Meike Schmidt: „Welche Rückmeldungen bekommst du von den SpielerInnen zum Game?”

Dr. Sabine Hemsing: „Unterschiedlich. Einige werden sofort in die Story hineingezogen und sind bereit sich darauf einzulassen. Andere stehen der Story und den Gilden von Außerirdischen und Zeitreisenden eher skeptisch gegenüber. Trotzdem lassen sich die meisten zunächst auf das Game-Abenteuer ein und entwickeln eine Gilden-Identität mit eigenem Logo und einem individuellen Gilden-Namen. Positiv hervorgehoben wurden im letzten Durchlauf die gute Zusammenarbeit in der eigenen Gilde (was nicht immer selbstverständlich ist), die Art der Umsetzung des Sicherungsmechanismus während des kooperativen Showdowns. Die vielfältigen Aufgaben (Artefakte) sowie deren Aufbau. Das Ziel die Inhalte des Game-Boards in eine praktische Erfahrung zu übertragen konnte überwiegend erreicht werden.

Kritisch gesehen wurde dagegen die zeitliche Taktung der Artefakte und der Zeitdruck sowie die notwendige kontinuierliche Mitarbeit, die mit der Bearbeitung der Artefakte verbunden war. Das führte bei vielen zu Stress und teilweise auch zu Frust. Allerdings war die enge zeitliche Taktung notwendig, damit der gesamte Kurs innerhalb von 5 Wochen bearbeitbar war (Rahmenbedingung) und der vorgesehene Arbeitsumfang wie er für alle SPOC Online-Kurse vorgesehen ist, eingehalten wurde. Würde mehr Zeit zur Verfügung stehen, der Kurs also z.B. 6 oder 7 Wochen insgesamt laufen, könnte das Game sehr gut etwas entzerrt werden. Allerdings muss man festhalten, dass alle Spielenden auch deutlich mehr Artefakte bearbeitet haben als vom Spielkonzept her erforderlich war. Vielleicht wollten einige ja doch gewinnen?”

Meike Schmidt: „Hast du Tipps zur Ideenfindung für eine eigene Gamestory?”

Dr. Sabine Hemsing: „Filme und Bücher bieten gute Ansätze. Am besten man notiert sich Ideen zwischendurch. Einfach ist es auch sich bestimmte Genres anzuschauen und dann zu überlegen, was dafür typisch ist. Auch aktuelle Themen können gut als Aufhänger verwendet werden, allerdings sollte man dann das Game auch rasch entwicken, bevor das Thema an Aktualität verliert. Ich persönlich finde Krimis sehr hilfreich für die Gamifizierung, besonders bekannte Klassiker.”

Meike Schmidt: „Hast du schon eine nächste Game-Idee im Kopf?”

Dr. Sabine Hemsing: „Ich habe immer irgendwelche Game-Ideen im Kopf ;-). Ich glaube es könnte ein Krimi oder eine Agenten-Story werden auf jeden Fall etwas, das die Spielenden in den Mittelpunkt stellt und sie zu etwas Besonderem macht. Auch Escape-Games sind gerade sehr angesagt.

Eine andere Möglichkeit wäre das Präsenz-Game-Framework, „Vepardy Action“, das wir vor ein paar Jahren entwickelt haben, in den synchronen Online-Modus zu übertragen, jetzt wo viele ohnehin in Virtuellen Klassenzimmern und Video-Konferenzen unterwegs sind. Hierzu gibt es auch schon ein paar Überlegungen aus einem anderen SPOC Kurs. Leider fehlt häufig der Zeit der Sache weiter nachzugehen und aus der Idee ein wirkliches spielbares Game-Konzept zu entwickeln. Aber wir bleiben dran.”

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